dadsdiary

Denk-Zettel zum Älterwerden

DADSDIARY - Reflexionen zum Älterwerden als Visuelle Poesie

Visuelle Poesie als didaktisches Stilmittel und Schlüssel zur Wahrnehmung

85 Aphorismen und Reflexionen zum Älterwerden – digital aufbereitet, inspiriert und intensiviert durch die Kunstform ›Visuelle Poesie‹

Dadsdiary ist ein literarisches Vater-Sohn-Kunstprojekt, eine bewegte Form der Visuellen Poesie, deren inhaltlicher Fokus insbesodere auf die Lebensbetrachtung aus der Perspektive des Alters und das Älterwerdens gerichtet ist. In jedem der 85 visuell-literarischen Videos wird jeweils ein Gedanke, eine kurz formulierte Reflexion präsentiert.

Zu raumgreifend, um gemeinsam auf Buchseiten zu existieren

DAD hatte mir also seine Aphorismensammlung »Denk-Zettel zum Älterwerden« übergeben und mich darum gebeten, sie »in die Welt zu bringen«. Bei der geplanten Buchausgabe erwies sich jedoch ein entscheidendes Detail als problematisch: Die Gedanken waren zu raumgreifend, um sie gemeinsam auf Buchseiten zu zwängen. In unmittelbarer Nähe zueinander fingen sie an, sich gegenseitig zu beeinflussen und in Fehden und Machtkämpfe zu verwickeln.

Um diesem Problem zu begegnen und DADs Reflexionen zu einer von Störungen und Irritationen befreiten Umgebung zu verhelfen – und gleichzeitig eine ästhetisch überzeugende Form der Darstellung zu erzielen – experimentierte ich zunächst auf Papier und im Hinblick auf eine Printlösung, ersann ausgefallene Layouts, probierte verschiedene Typografien aus, schob die Wörter und Sätze hin und her. Um es kurz zu machen: Von einer befriedigenden Lösung war ich weit entfernt.

Visuelle Poesie als didaktisches Element

Inspiriert von der »Visuellen Poesie«[1], diesem kleinen, aber feinen Genre der Bildenen Kunst, insbesondere den Werken Heinz Gappmayrs[2], dessen künstlerischer Ansatz es war, einzelne Wörter und Zeichen auf einem Blatt Papier als eine ›konkrete gedankliche Realität‹ zu behandeln und darzustellen, reifte schließlich ein neuer Lösungsansatz: Ein einzelner Gedanke sollte konkret auf einem einzelnen Blatt Papier Platz finden! Das entsprach auch der Vorstellung eines »Denk-Zettels«.

Wenn sich nun noch ein zusätzlicher didaktischer Effekt erzielen ließe, so meine Intention, wenn den Buchstaben und Wörtern, ähnlich wie in der Kunst der Visuellen Poesie, zu einer eigenständig wahrgenommenen ›Materialität‹ verholfen werden könnte, wenn sich so die ästhetische Wirkung und die visuelle Wahrnehmung noch intensivieren ließen, wäre das allerdings besonders reizvoll und erstrebenswert!

Typografische Ästhetik, Rhytmus und Sound der Schreibmaschine

Per Zufall stieß ich in jenen Tagen beim Aufräumen auf DADs alte Schreibmaschine. Sofort war mir ihr prägnanter Sound und das Bild wieder gegenwärtig, das ich schon als Kind verinnerlicht hatte: DAD, an seinem Schreibtisch sitzend, immerzu in die Tasten greifend, stets begleitet von diesem obligatorischen Konzert hackender Schreibmaschinentypen – dieses akustisch untermalte Bild ist mir bis heute sehr nah.

Und da war es! Auf einmal hatte ich klar vor Augen, wie DADs Denk-Zetteln mit einem letzten Kunstgriff das noch fehlende didaktische Element, sozusagen das ›gewisse Etwas‹ eingehaucht werden konnte.

Ein neues Format der ›Visuellen Literatur‹

Umgehend machte ich mich auf die Suche nach Mitteln und Lösungen, mit denen sich diese Vision würde technisch umsetzen lassen. Es war klar, dass die analoge Welt des Papiers an dieser Stelle verlassen werden musste, dass nur ein Brückenschlag in das digitale Universum der multimedialen Möglichkeiten die Chance bot, die jetzt angestrebte Form der Darstellung zu verwirklichen.

Das Ergebnis ist, wenn man so will, ein innovatives Format der ›Digitalen Visuellen Literatur‹: Die so entstandenen Dadsdiary Video-Denk-Zettel verwenden den optischen ›Typewriter-Effekt‹ sowie den Rhythmus und die Percussion des klassischen Maschinenschreibens als Metapher für das allmähliche Verfassen und Nachvollziehen der Gedanken. Sie bedienen sich der Schrift als werdender Gestalt und zunehmend greifbarem Gegenstand und vereinen so einen Produktprozess von Sprache, Text und Bild, der mit einer auf das Wesentliche reduzierten Ästhetik und dem Inhalt angemessenen Langsamkeit in das Verstehen der Reflexion mündet.

Sinnliches Zusammenspiel von Lesen, Sehen, Hören und Verstehen

Aus den maschinenbeschriebenen Zetteln auf imaginärem Papier werden virtuelle Gedankenräume, die die Wahrnehmung ihrer Betrachter gleichsam fokussieren und entschleunigen. Wie ein Notizzettel garantiert jedes Denk-Zettel-Video dem darin dargelegten Gedanken einen eigenen, hermetisch geschützten Raum und ermöglicht so seine freie Entfaltung und das ungestörte Sehen, Lesen und Verstehen des formulierten Inhalts.

BetrachterInnen wohnen virtuell dem Prozess bei, wie jeweils ein Gedanke, Buchstabe für Buchstabe und Wort für Wort per Schreibmaschine zu Papier gebracht wird. Das sinnliche Zusammenspiel des gedanklichen Nachvollziehens beim Lesen mit dem gleichzeitigen Entstehen der typografischen Ästhetik beim Sehen ermöglicht ein intensives Erleben auf intellektueller wie auf visueller Ebene und verbindet so auf reizvolle Weise Literatur mit Bildender Kunst. Die perkussiven Anschläge der Schreibmaschine runden den meditativen Wahrnehmungsraum und den intensiven Vermittlungsprozess akustisch ab.

Vollbild und Ton einschalten!

[1] Visuelle Poesie ist ein Sammelbegriff für alle Arten von Poesie oder Dichtung, bei denen die visuelle Präsentation eines Textes ein wesentliches Element der künstlerischen Konzeption darstellt. Wikipedia

[2] Heinz Gappmayr (* 7. Oktober 1925 in Innsbruck; † 19. April 2010 ebenda) war ein österreichischer bildender Künstler. Er gilt als wichtiger Vertreter der Konkreten und Visuellen Poesie. Wikipedia

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